Hintergründe

Vorneweg der neueste (Dezember 2017) Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vom European Asylum Support Office für die, die es gerne ganz genau wissen wollen. Zusammengefasst bleibt nach wie vor festzustellen: Afghanistan ist nicht sicher. Auch nicht in Teilen.
https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Afghanistan_security_situation_2017.pdf


Rücknahmeabkommen zwischen Europa und Afghanistan

Am 2. Oktober 2016 schloss die Europäische Union mit Afghanistan ein Rücknahmeabkommen, das sogenannte „Joint Way Forward on migration issues between Afghanistan and the EU“. Hier wurde ein milliardenschwerer Pakt unterschrieben, der eine Abschiebung afghanischer Flüchtlinge erleichtern soll. In einem erpresserischen Akt wurde Afghanistan die Kürzung von Geldern im Bereich der Entwicklungshilfe angedroht. Im Gegenzug zu finanziellen Mitteln in beachtlicher Höhe, mit denen Europa Afghanistan unterstützen will soll Afghanistan abgelehnte AsylbewerberInnen zurücknehmen und bei der Durchführung der Abschiebungen aktiv mitwirken. Dies soll unter anderem durch den Bau eines Abschiebeflughafens in Kabul, sowie die schnelle Bereitstellung von zur Abschiebung nötigen Reisedokumenten von Seiten der afghanischen Außenvertretungen geschehen.

Seit Inkrafttreten dieses Abkommens ist der politische Druck auf afghanische Schutzsuchende deutlich gestiegen. Innenminister de Maiziere legte einen Brief vor, in dem die Länder aufgefordert werden, das Abkommen „zügig mit Leben zu füllen“. Seitdem werden Asylanträge in Deutschland, insbesondere von afghanischen jungen Männern, im Eilverfahren bearbeitet. Dies führt zu einem mangelnden Asylverfahren, das mit Rechtsstaatlichkeit und Fairness nur noch wenig zu tun hat.

Mit Blick auf die in Afghanistan landesweit zunehmend eskalierende Gewalt in gehen Rückführungen mit unkalkulierbaren Risiken für die Betroffenen einher.

Die tatsächliche Verwendung der bereitgestellten Gelder ist für Europa unkontrollierbar und die Nutzung darf zu recht angezweifelt werden. Auch von dem Jobprogramm, das der afghanische Präsident Ghani im letzten Jahr vor dem Hintergrund der großen Fluchtbewegungen versprach, ist in Afghanistan nichts zu spüren.

Entscheidungspraxis des BAMF

Seit August 2016 hat das BAMF trotz unveränderter Sicherheits- und Verfolgungslage seine Entscheidungspraxis geändert und beurteilt Afghanistan als ein Land mit sicheren Regionen, in das durchaus zurückgeführt werden könne.

Laut Aussage des BAMF würden insbesondere junge arbeitsfähige Männer die Möglichkeit haben, in den vermeintlich sicheren Regionen Afghanistans für ihren Lebensunterhalt sorgen können, ohne extremen Gefahren ausgesetzt zu sein. Trotz des im Januar 2017 erschienenen UNHCR Berichts, der eine klare Verschlechterung der Sicherheitslage aufzeigt, wird an dieser Beurteilung festgehalten.

Die Asylverfahren werden seit der Bewertung Afghanistans, als ein Land mit sicheren Regionen und insbesondere seit dem Rücknahmeabkommen mit Afghanistan in Eilverfahren durchgeführt. Die Qualität der Anhörungen wird von Begleitern scharf kritisiert. Die Übersetzungen beim Interview lassen sehr zu wünschen übrig. AsylbewerberInnen werden beim Interview unter Zeitdruck gesetzt und haben oft kaum die Möglichkeit ihre Fluchtgründe klar vorzutragen. Schilderungen der Fluchtgeschichte und Angaben zur Person werden mangelhaft oder sogar falsch protokolliert. AnwältInnen sprechen von wahllosen Entscheidungen, die nichts mit einem fairen Asylverfahren zu tun haben.

Von 2015 bis heute ist die Quote der Anerkennungen der BAMF-Bescheide, trotz Verschlechterung der Sicherheitslage von 78 % auf unter 50 % Prozent gesunken. Dies spricht für eine politische Steuerung der Anerkennungsverfahren. Die Anerkennungsquoten unterscheiden sich massiv in den einzelnen Bundesländern – man kann von einer „Asyllotterie“ sprechen.

Mehrere Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein, Berlin, Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz kritisieren die Bewertung der Sicherheitslage der Bundesregierung und beteiligen sich derzeit nicht an den Abschiebungen.

Ausbildungsverbote für Geflüchtete – der bayerische Sonderweg

Im Rahmen des Schreibens des Bayerischen Innenministers Hermann vom 01.09.2016, bei dem die Ausländerbehörden angewiesen werden, nur noch nach klarer Prüfung bestimmter Kriterien und nach eigenem Ermessen Ausbildungen zu genehmigen ist die Anzahl der Ausbildungsgenehmigungen in Bayern drastisch gesunken. Das Innenministerium liefert diese Vorgaben, da der Antritt einer Ausbildung für Geflüchtete einen Schutz vor Abschiebung im Rahmen der 3+ 2 Regelung bieten könnte. Die 3 + 2 Regelung wurde geschaffen, um besondere Integrationsleistungen von AsylbewerberInnen anzuerkennen und ihnen auch bei abgelehntem Asylverfahren für 3 Jahre während einer Ausbildung und zwei anschließenden Folgejahren im Beruf die Möglichkeit zu geben in den Antragsländern bleiben zu können. Diese Ausbildungsduldung wurde im Sommer 2016 per Gesetz beschlossen unter dem großen Beifall des Handwerks und der Wirtschaft.

Die Behörden in Regensburg und Umgebung erteilen derzeit keine Ausbildungserlaubnis mehr, wenn die Identität der AsylbewerbeIn nicht geklärt wurde, dh. kein Pass oder Tazkira vorliegen. Ein/e AsylbewerberIn kann jedoch während des laufenden Asylverfahrens nicht angehalten werden, einen Pass vorzulegen. Sie oder Er ist lediglich dazu verpflichtet an der Identitätsklärung mitzuwirken. Für viele afghanische Jugendliche ist es schlichtweg unmöglich von Deutschland aus Identitätspapiere zu beschaffen, insbesondere dann, wenn es keine Verwandten in Afghanistan gibt.

Ein weiteres Kriterium für das Erteilen der Ausbildungserlaubnis im Raum Regensburg ist eine hohe Bleibeperspektive. Ausbildungen werden nicht mehr genehmigt, wenn ein negativer Bescheid über das Asylverfahren vom BAMF vorliegt. Der Antritt einer Ausbildung, und damit der mögliche Anspruch auf Ausbildungsduldung (3+2 Regelung) bietet faktisch jedoch grundsätzlich eine gute Bleibeperspektive für die folgenden Jahre.

Sicherheitslage in Afghanistan

UNHCR Bericht – Zusammenfassung folgt.